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Kleinleins Klartext

Wie der Zauberspruch der Enteignung den Fluch des Niedrigzinses bezwingen soll...

Wie der Zauberspruch der Enteignung den Fluch des Niedrigzinses bezwingen soll...

 20.06.2018  Kleinleins Klartext  3 Kommentare  Axel Kleinlein

…oder wie Millionen Kund*innen enteignet wurden um die Rechenfehler der Versicherer auszugleichen.

Es war einmal….

… eine glückliche Welt mit blühenden Landschaften und gutverdienenden Menschen. Und auch die Zinsen flossen üppig und ließen alle von hohen Renditen träumen. Da kamen pfiffige Bänker*innen und wollten an das Geld der Menschen und versprachen: „Gebt uns euer Geld! Denn wir können noch mehr Zinsen für euch erzielen!“ Denn es dürstete die Bänker*innen nach Profit, sie wollten das Geld. Und sie versprachen sehr hohe Zinsen.

Aber da kamen dann auch pfiffige Versicherer und waren eifersüchtig auf das Geld. Und die Weisen und Klügsten der Versicherer überlegten sich, dass sie ja auch mit hohen Zinsen werben könnten. Nicht ganz so hoch wie die Bänker*innen, aber immerhin doch auch vier Prozent. „Gebt euer Geld doch besser uns! Ihr bekommt zwar nur vier Prozent, und das auch nur auf den Sparanteil, aber das garantieren wir Euch! Garantiert!“ So warben alsdann die pfiffigen Versicherungsvertreter*innen. Und sie waren erfolgreich und sie sammelten viel Geld ein. Milliarde um Milliarde floss in die Schatullen der Versicherer.

Und obwohl die Versicherer viele Gewinne machten, gaben sie den Kund*innen am Vertragsende nicht alles heraus. Besonders den einen Teil dessen, was sie erwirtschafteten, behielten sie ein: die Bewertungsreserven. Anfänglich wussten die Kund*innen nichts von diesem Geld und grämten sich nicht. Und umso mehr freuten sich die Versicherer, konnten sie sich doch satt an diesen Geldern laben, von denen die Kund*innen noch nicht einmal etwas ahnten.

Leise Stimmen aber warnten

Leise Stimmen warnten aber die Versicherer: „Was wollt ihr tun, wenn die Zinsen nicht mehr üppig fließen?“, denn sie konnten sich daran erinnern, dass die sprudelnden Zinsen erst für kurze Zeit so hoch waren und dass nur wenige Jahrzehnte zuvor die Zinsen sehr niedrig waren. „Was wollt ihr dann tun?“ Und die Weisen und Klügsten der Versicherer sagten: „Et is noch immer jut jejangen“. Und beruhigten sich gegenseitig, dass sie ja so klug und weise wären. Und weil sie so klug und weise waren, hatten sie sich auch einen ganz tollen Namen für ihren Beruf gegeben, denn sie nannten sich Aktuar*innen.

Und es kam wie es kommen musste. Die Schatullen waren gefüllt und quollen fast über vor Geld, aber die Zinsen ließen nach. Wo einst üppige Prozente Glück versprachen, waren es nun nur noch dürre Gelder, die als Zinsen flossen. Der Niedrigzins kam über die einst blühenden Landschaften! „Niedrigzins!“ Unter den Weisen und Klügsten der Versicherer, unter den Aktuar*innen, ist dieses Wort einer der übelsten Flüche!

Fast so schlimm wie der Fluch „Bewertungsreserven“

Denn just als sich der Niedrigzins anschickte, sprachen ein paar Verbraucherschützer den Fluch der „Bewertungsreserven“ aus. Und mit der Hilfe der Knute der Richter und Büttel zwang dieser Fluch die Versicherer, den Kund*innen mehr Geld zu geben als zuvor. Denn nun mussten sie zusätzlich zu den mittlerweile kärglichen Erträgen auch noch die Bewertungsreserven zusätzlich auszahlen! Dies war zwar nur recht und billig, gehören die Bewertungsreseven doch den Kund*innen. Aber die armen Versicherer wurden nun gezwungen, auch einen Teil dieses Geldes an die Kund*innen zu geben.

Wie nun aber auch noch zusätzlich der Fluch der Niedrigzinsen über das Land kam, wussten sich die Weisen und Klügsten der Versicherungsunternehmen, die Aktuar*innen, nicht mehr anders zu helfen. Sie greinten und klagten, sie heulten und weinten bitterlich: „Wir haben zu viele Zinsen versprochen, jetzt wissen wir nicht mehr weiter!“ Obwohl sie Aktuar*innen sind, die Weisesten und Klügsten der Versicherer, wussten sie sich nicht mehr zu helfen und baten den Regenten und das Parlament um Hilfe. „Helft uns, denn wir haben zu hohe Zinsen garantiert!“
Und Regent und Parlament hatten ein Einsehen und sprachen ihren Zauber. „Wir verfügen, dass ihr zusätzliche Reserven bilden sollt, damit ihr damit dann diese Garantien zahlen könnt. Dann wird alles gut“ , verfügten sie. Das Grauen wurde aber so nur noch größer! „Wie sollen wir das bezahlen!“ klagten die Aktuar*innen und schüttelten sich vor Pein und Schmerz. Und Regent und Parlament hatten erneut ein Einsehen und sprachen den zweiten Zauber: „Wir verfügen, dass ihr einen großen Teil der Bewertungsreserven nehmen könnt, solange ihr diese Reserven bildet!“

Der Zauberspruch der Enteignung

Eigentlich durften Regent und Parlament das aber gar nicht tun. Denn eigentlich konnten sie ja nicht über Geld bestimmen, das nicht ihnen gehört, sondern den Versicherungskund*innen! Aber es war ein mächtiger Zauber, der sehr selten gesprochen wird – es ist der Zauberspruch der „Enteignung“, der mit Donnergrollen die Versicherungskund*innen um Milliarden betrog und noch immer betrügt.

Und so geschah es dann auch. Die Versicherer zahlen fortan nur noch ganz geringe Bewertungsreserven an die Kund*innen. Das, was sie einsparen, nehmen sie, um damit die Reserven zu füllen. Und diese Reserven nehmen sie, um die Zinsen zu begleichen, die sie vor langer Zeit garantiert haben. Und so kam es, dass die einen Kund*innen auf viel Geld verzichten müssen, damit die Garantien der anderen bezahlt werden können.

Ein ketzerischer Aktuar fragte dann seine Berufsgenoss*innen: „Also, wir nehmen den Kund*innen die Bewertungsreserven weg, damit wir die Garantien bezahlen können. Aber dann sind das gar keine echten Garantien, für die wir geradestehen! Denn die Kunden, die auf die Bewertungsreserven verzichten, bezahlen die Garantien der anderen Kunden! Und die Versicherungsunternehmen zahlen dann nichts mehr!“ Das machte die anderen Aktuar*innen aber wütend! Und sie schimpften mit ihm, denn natürlich hat er Unrecht:

„Wir zahlen viel! Für unsere Aktionäre! Für unsere Vorstände! Für unsere Vermittler! Und auch für dich, lieber Aktuarskollege!“ Und so hat auch der ketzerische Aktuar ein Einsehen, dass es richtig ist, wenn die Kunden enteignet werden, um die einst zu hoch einkalkulierten Garantien begleichen zu können. Irgendjemand muss ja zahlen, wenn sich jemand verrechnet!


Kommentare
Kommentar von Axel Kleinlein  am  23.06.2018 13:48
Lieber Herr Schwark,

da machen Sie sich die Welt mal wieder einfach. Sie schreiben: „Versicherer geben (implizit) Zinsgarantien und kaufen dafür Zinspapiere.“ Und dann leiten Sie her, warum diese Strategie mit den Zinspapieren gescheitert ist. Und die armen Versicherer könnten ja dann nichts dafür – das ist der Eindruck, den Sie vermitteln wollen.

Richtig ist, dass die Versicherer diese harten Garantien gegeben haben. Dumm nur, dass sich die Versicherer eben mit den Zinspapieren auf eine falsche Strategie festgelegt haben. Die Versicherer haben sich hier verkalkuliert. Und das sollten die Versicherer endlich auch einmal zugeben! Wer sich einfach nur darauf verlässt, dass das mit Zinspapieren irgendwie klappt, der macht halt einen Fehler. Und jetzt nur darüber zu jammern hilft auch nicht. Schließlich besteht auch jetzt noch immer die Verpflichtung, diese Garantien zu bedienen.

Und zu den Bewertungsreserven: In ihrer Argumentation blenden Sie einfach aus, dass das Verfassungsgericht nicht unterschieden hat, dass es bei den Bewertungsreserven um Gelder der Kunden geht, bei allen Bewertungsreserven! Und wenn Sie das einfach verleugnen, dann geht ihre Argumentation eben fehl. Ich kann Ihre Sichtweise verstehen, dass es unbequem und sehr ärgerlich für die Versicherer ist, dass die Kunden Anspruch auf diese Bewertungsreserven haben. Aber Ihre Sichtweise ist eben nicht die richtige. Ich halte mich da lieber an die Sichtweise unseres höchsten Gerichts, des Bundesverfassungsgerichts. Und das sagt, dass Bewertungsreserven den Kunden zuzurechnen sind. Wer die dann wegnimmt, der enteignet also. So einfach ist das.

Lieber Herr Schwark, es wird immer enger um die Lebensversicherer. Es wäre an der Zeit, dass auch Sie endlich mal Tacheles reden, wie es um die Branche wirklich steht. Mit den ewig alten Argumentationen finden Sie keine Lösungen – und nebenbei verlieren Sie Vertrauen. Was den Lebensversicherer demnächst vielleicht noch ein wenig Zeit geben könnte, ist eine Entlastung bei den Zinszusatzreserven. Aber damit sind die Probleme dann nur aufgeschoben. Um Lösungen zu finden, müssen immer erst einmal die Probleme ungeschönt benannt werden. Anscheinend müssen wir das vom Bund der Versicherten tun, denn leider ist Ihre Branche noch nicht bereit, die Situation nüchtern zu betrachten. Es wird Zeit, die rosarote Brille abzunehmen und damit aufzuhören, die Verbraucherschützer für hausgemachte Probleme verantwortlich machen zu wollen.

Beste Grüße Ihr

Axel Kleinlein

PS: Ich habe den Eindruck, dass bei der Zinszusatzreserve tatsächlich eine Entlastung kommen könnte. Dann aber nach meiner Einschätzung nicht weil, sondern letzten Endes obwohl Ihr Lobbyverband seit Jahren hier am lobbyieren ist. Wir machen uns ja als Verbraucherschützer bei den Zinszusatzreserven schon seit langem stark für eine Neukalibrierung der Zinszusatzreserve. Auch bei anderen Herausforderungen stehen wir zur Seite, wenn es darum geht, konstruktive Lösungen zu finden. Und das hat die Politik auch mitbekommen.
Kommentar von Markus Rieksmeier  am  21.06.2018 15:41
Der Diskurs BdV ./. GDV zeitigt ja zwischendurch Ergebnisse wie im Basketball. Viele Punkte, knappe Unterschiede. Zurzeit steht es für mich GDV 112 : 111 BdV, weil Herr Schwark sachlicher vorträgt. Wobei allerdings „implizite“ Zinsgarantien aber nicht sooo die „ganz einfache“ Erklärung sind :-)

Aber Herr Schwark erklärt anschaulich, warum niedrigere Zinsen im Widerspruch zu höheren Ausschüttungen stehen. Wenn allerdings Staatsanleihen zum Kaufkurs (oder einfacher: Euro-Betrag) 98 oder 100 zwischenzeitlich bei 140 standen, dann wären oder waren bei diesen Papieren eben 40% Gewinn drin. Und es wäre nur logisch, diesen Gewinn für einen Teil(nicht für alle!) dieser Wertpapiere zu realisieren (Für Profis: oder mit zeitlich begrenztem/befristeten Abstand zum Niederstwertprinzip vorsichtig buchhalterisch zu erhöhen und anteilig Stille Reserven an die Sparer auszukehren).

Dies bedeutete nicht automatisch, dass die LV-Unternehmen Tafelsilber verschachern würden, aber vielleicht drei von zwölf Gedecken zugunsten der Haushaltskasse (auch der Sparer) zu versilbern. Nennen wir das einfacher einen Verteilungskampf, der aber mit dem LVRG ungleich bestritten wurde. Ähnlich Spanien 3 : 3 Portugal bei der WM in Russland. Beim LVRG hatten die Versicherer Cristiano Ronaldo auf dem Platz, ... 8. der Bundestags-Lobby.

PS. Zum dem Evaluationspapier der Bundesregierung zum LVRG sage ich es ganz drastisch: verdummendes Geschwurbel. Das werde ich die Tage kommentieren im Stil von Loddar Matthäus. Ein Loddar M. hat das Papier nämlich nicht verstanden.
Kommentar von Peter Schwark  am  21.06.2018 11:24
>>> Die Mär von der Enteignung <<<

Lieber Herr Kleinlein,

vielleicht wählen Sie auch deshalb den Weg, Ihren aktuellen Klartext in ein Märchen zu verpacken, da dann ja eigentlich jeder wissen kann, dass darin einiges nicht wahr ist. Die Frage ist nur: Was nicht?

Stellen wir uns mal ganz dumm. Wie funktioniert im Kern, mal ganz einfach, eine klassische Lebensversicherung?

Versicherer geben (implizit) Zinsgarantien und kaufen dafür Zinspapiere. Ein Zinspapier ist ein Papier begrenzter Laufzeit, das am Ende nominal zum Kaufpreis zurückgezahlt wird. Zwischendrin gibt es eine regelmäßige Zinszahlung, den Zinscoupon. Und das über die gesamte Laufzeit. In vereinfachter Betrachtung: Sind Zinspapiere und Zinsversprechen gleich hoch und gleich lang, ist das Ganze eine sichere Sache.

Nun wurde aber infolge eines von Ihren Vorgängern betriebenen Gerichtsverfahrens, das auf Bewertungsreserven aus Aktien und Immobilien zielte, durch Übertragung der Neuregelung auf Anleihen eine absurde Situation geschaffen. Denn nun mussten Versicherer wegen der bei fallenden Zinsen vorrübergehend steigenden Kurswerte von Anleihen zusätzliche Ausschüttungen erbringen. Niedrigere Zinsen, mehr Ausschüttungen!? Wie soll das denn gehen?

Nun. Was sind Bewertungsreserven bei Anleihen? Sie reflektieren den Unterschied zwischen Nominalwert und Kurswert einer Anleihe. Es ist genau genommen die Summe der Differenzen zwischen über die Restlaufzeit der Anleihe noch fälligen Zinscoupons und dem aktuellem Marktzins. Mit jeder Zinszahlung bilden sich die Bewertungsreserven folglich zurück, zum Ablaufzeitpunkt auf null. Deshalb nennt man diese Art der Reserven auch virtuelle Gewinne. Die kann und darf man gar nicht ausschütten. Denn der ökonomische Gegenwert wird ja schon jährlich qua Zinscoupon ausgeschüttet und den Kunden über Garantiezins und Überschussbeteiligung planmäßig gutgeschrieben. Und den gleichen Euro den kann man ja nicht zwei Mal ausgeben.

Der Gesetzgeber hat dieses bei Zinsrückgängen entstehende Sonderproblem verstanden und 2014 deshalb neu geregelt, dass bei Anleihen, deren noch höhere Zinscoupons der Vergangenheit für die Erfüllung der noch höheren Garantien der Vergangenheit gebraucht werden, eine zusätzliche Ausschüttung virtueller Gewinne aus nicht realisierten Bewertungsreserven nicht mehr stattfinden soll.

Ich denke, das Alles ist wirklich sehr einfach zu verstehen. Es ist sogar noch etwas einfacher als Ihr Märchen. Und die angebliche Enteignung der Kunden infolge einer vermeintlichen Fehlkalkulation der Unternehmen, das ist die eigentliche Mär.

Beste Grüße
Ihr

Peter Schwark

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