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Versicherungen verstehen

Lemonade - wie prickelnd ist der Versicherungsschutz?

Lemonade - wie prickelnd ist der Versicherungsschutz?

 25.11.2021  Versicherungen verstehen  0 Kommentare  Claudia Frenz

Eine Limonade kostet nicht viel, ist erfrischend und wird von vielen gemocht. Das mag der Grund für die Namensgebung von Lemonade sein, einem US-InsureTech, das sehr umtriebig Werbung für seine Versicherungsprodukte auch in Deutschland macht, insbesondere in den sozialen Medien. 

© Comfreak /Pixabay

Entsprechend orientieren sich auch der Internetauftritt und die Sprache von Lemonade an einer jüngeren Social-Media-Community – da wird „gerockt“, „gecheckt“, geduzt und alles mit großem Herz und für „dufte Preise“. Außerdem spende man einen Teil der Versicherungsprämie an NGOs, die die Nutzer*innen aussuchen. Kurz, Lemonade stelle „das traditionelle Versicherungsmodell auf den Kopf“. Die Prämien scheinen so günstig wie ein Glas Limo: Ab zwei Euro Prämie pro Monat für eine Haftpflichtversicherung, zwei weitere Euro für eine Hausratversicherung. Das ist doch schnell konsumiert beziehungsweise abgeschlossen. Das Ganze noch als Kombi-Police. 

Wo ist der Haken?

Klingt zu gut um wahr zu sein. Wo ist der Haken? Den gibt es natürlich, wenn man sich die Versicherungsbedingungen anschaut. Denn die sind nicht immer eindeutig und klar formuliert. Und einige Leistungsausschlüsse im Vergleich zu anderen marktüblichen Angeboten gibt es auch. Die Bedingungen der Kombi-Police gibt es vor Abschluss als „gepresste Version“. Entsprechend aufmerksam müssen die Versicherten sie auch lesen, denn die Versicherungsbedingungen für beide Versicherungen sind gebündelt in einem Dokument aufgeführt. Schon im ersten Absatz kommt man ins Stutzen:

„Glückwunsch! Dies ist deine Lemonade Hausratversicherung und Privathaftpflichtversicherung für dein Zuhause (hier folgt die Adresse).“

Gilt die Privathaftpflicht (PHV) also nur für mein Zuhause? Das greift zu kurz. Eine PHV soll ja gerade weltweit und rund um die Uhr schützen.

Lemonades Privathaftpflicht

Bei der von Lemonade angebotenen Privathaftpflichtversicherung beträgt die Deckungssumme fünf Millionen Euro beziehungsweise kann gegen Extra-Prämie auf zehn Millionen erweitert werden. Ein guter PHV-Vertrag sollte nach Auffassung des BdV mindestens 15 Millionen Euro als Deckungssumme umfassen – pauschal für Sach-, Personen- und Vermögensschäden.

Außerdem sind folgende Schäden bei der Lemonade-Haftpflichtversicherung u. a. nicht versichert:

  • Reine Vermögensschäden
  • Schäden an geliehenen Sachen
  • Schäden durch privat genutzte Drohnen oder andere Fluggeräte

Was einen guten Privathaftpflichtversicherungsvertrag ausmacht, haben wir im BdV-Infoblatt „Privathaftpflichtversicherung“ zusammengestellt.

Lemonades Hausratversicherung

Auch in der Lemonade Hausratversicherung ist nicht alles versichert, was üblicherweise in einem Hausratversicherungsvertrag abgedeckt ist:

  • Die maximale Schadenerstattung beträgt 5.000 Euro pro Gegenstand. Gegenstände mit höherem Wert müssen Lemonade extra gemeldet werden und werden gegebenenfalls gegen Extra-Prämie versichert – der Schutz muss genehmigt werden. Jede Neuanschaffung mit einem Wert ab 5.000 Euro muss Lemonade nachgemeldet werden.
  • Schäden durch Blitzschlag sowie Überspannung durch Blitz sind nicht versichert.
  • Bargeld in der Wohnung ist nicht versichert.
  • Nicht versichert: Dinge, die man hauptsächlich für die Arbeit verwendet
  • Nicht versichert: Gegenstände, die normalerweise an anderen Orten aufbewahrt werden, wie im Ferienhaus, im Büro oder in einem separaten Lagerraum – außerhalb des Wohnortes
  • Bei Unbewohnbarkeit der Wohnung zum Beispiel durch Einbruch, Feuer etc. werden maximal 8.000 Euro für temporäre Unterkünfte – z.B. Hotelkosten – gezahlt (aber Erhöhung auf 50.000 Euro möglich).

Zusätzlich sind gegen Extra-Prämie auch weitere Absicherungen möglich:

  • Anti-Diebstahl-Paket für „zusätzlichen Schutz gegen einfachen Diebstahl, auch außerhalb der versicherten Wohnung“
  • Extremwetter-Paket für zusätzlichen Schutz gegen Blitzeinschläge (einschließlich Überspannung durch Blitzeinschlag), Überschwemmung, witterungsbedingten Rückstau, Erdbeben, Erdsenkung, Erdrutsche, Schneedruck, Lawinen und Vulkanausbrüche

Allerdings wird in der Musterpolice auf der Website nicht klar, dass Diebstahl und Extremwetter separat abgeschlossen werden müssen. Hier heißt es zusammenfassend und intransparent nur:

 

Gegen was?

Wir versichern deine Sachen gegen Feuer, Rauch, Explosion, Einbruch, Raub, Vandalismus, Sturm, Hagel sowie Wasserschäden durch Rohrbruch oder durch undichte Geräte (wie zum Beispiel deine Waschmaschine).

Deine Sachen sind auch gegen Diebstahl, Blitzeinschläge (einschließlich Überspannung durch Blitzeinschlag), Überschwemmungen, witterungsbedingten Rückstau, Erdbeben, Erdsenkungen, Erdrutsche, Schneedruck, Lawinen und Vulkanausbrüche geschützt.
Zusätzlich zu deinen Sachen bist du auch gegen Verletzungen oder Schäden versichert, die du versehentlich anderen zufügst.“

Welche Leistungen bei einer Hausratversicherung wichtig sind, haben wir im BdV-Infoblatt „Hausratversicherung“ zusammengestellt.

Umzug beendet Vertrag

Absolut unüblich und sogar wohl unzulässig ist, dass Versicherungsnehmer*innen bei einem Umzug ihre Police kündigen und einen neuen Vertrag für die neue Adresse abschließen müssen. Wer das vergisst, hat gegebenenfalls keinen Versicherungsschutz mehr und zwar sowohl, wenn ein Schaden in der neuen Wohnung geltend gemacht wird, als auch, wenn nach dem Umzug die private Haftpflicht in Anspruch genommen werden soll. Ob das alle Versicherungsnehmer*innen auch wissen, wenn sie umziehen?

Eigeninitiative

Bestehen andere Versicherungen, kann es sein, dass Lemonade einen Schaden nicht zahlt. Da ist Eigeninitiative vom Versicherten gefordert:

„Ergreife angemessene Schritte, um deine Schäden anderweitig ersetzt zu bekommen, einschließlich der vollumfänglichen Inanspruchnahme anderer Versicherungen (z. B. deine Reiseversicherung), bevor du einen Anspruch bei Lemonade geltend machst. Soweit der Schaden durch eine andere Versicherung gedeckt ist, ist er von dieser Versicherungspolice nicht abgedeckt.“

Auch wenn Lemonade das traditionelle Versicherungskonzept auf den Kopf stellen möchte, sollten Versicherte aufmerksam ins Kleingedruckte schauen, um zu prüfen, was alles im Versicherungsschutz enthalten ist und was nicht. Denn im Schadenfall kann es sonst böse Überraschungen geben – etwa beim sehr unüblichen Nachmelden von teuren Gegenständen:

„Wir zahlen bis zu 5.000 € pro Gegenstand. Gegenstände mit höherem Wert müssen zu deiner Police hinzugefügt und von unserem Team zuerst genehmigt werden. Lass uns also bitte wissen, falls du irgendwelche Sachen hast, die jeweils mehr als 5.000 € wert sind, damit wir sie vollständig versichern können.“

Was passiert, wenn man das vergisst?

Wenn etwa das nach dem Versicherungsabschluss angeschaffte 6.000 Euro teure E-Bike Lemonade als Hausrat nicht nachgemeldet wurde und dann bei einem Einbruchdiebstahl aus dem Keller geklaut wird, war das teures Lehrgeld. Denn die Lemonade Hausratversicherung zahlt dann wohl den Schaden nicht vollständig. Und: In der Regel kauft man ja erst einen Gegenstand und denkt dann, wenn überhaupt, an den Versicherungsschutz. Bei Lemonade aber muss ein Hausratgegenstand mit einem Wert von mehr als 5.000 Euro nicht nur gemeldet, sondern sein Versicherungsschutz von Lemonade auch genehmigt werden. Dieses Vorgehen ist unüblich und für Verbraucher äußerst nachteilig.

Und was meint „Sachen im Wert von mehr als 5.000 Euro“? Fällt darunter auch eine serienmäßig vorgefertigte Anbauküche im Wert von 12.000 Euro? Oder zählt hier der Wert der einzelnen Küchengeräte und Schränke? Für Verbraucher*innen ist das nicht erkennbar. Klar, nachfragen geht immer, aber tun das die meisten?

Kündigen

Eine Kündigung des Versicherungsvertrags ist monatlich möglich: Klingt erstmal gut und bequem für Versicherungsnehmer*innen. Eine Haftpflichtversicherung ist aber kein Handyvertrag, bei dem Vertrags-Hopping mittlerweile Standard ist. Versicherte sollten sich das vor Augen halten und erst kündigen, wenn sie einen neuen Versicherer haben, denn sonst kann eine Versicherungslücke spätestens im Schadenfall teuer werden.

Fazit:

Lemonade ist vergleichsweise günstig und deckt teilweise existenzielle Gefahren ab. Günstige Prämien aber sind nun einmal nicht das einzige Kriterium, wenn es gilt, einen guten Versicherungsschutz abzuschließen. Denn es gibt auch einige marktunübliche Ausschlüsse, die bei anderen Versicherern versichert sind. So leicht verständlich und eingängig Lemonades Versicherungskonditionen auf den ersten Blick auch daherkommen mögen – Versicherte dürften sich dennoch an mancher Stelle fragen, wie ein Satz denn gemeint ist. Das Kleingedruckte ist nicht immer eindeutig formuliert, so dass sich ein Nachfragen beim Versicherer zur Aufklärung empfiehlt. Ob das so nutzerfreundlich ist?

Dass ein Teil der Prämie evtl. Hilfsorganisationen unterstützt, die der Versicherte aussuchen kann, mag den ein oder anderen zum Abschluss bei Lemonade bewegen. Ob und wie sich dies aus der Prämie rechnet, bleibe mal dahingestellt.

Das Produkt ist lückenhaft, in Teilen intransparent und für die/den durchschnittliche/n Verbraucher*in nach unserer Einschätzung zur Absicherung nicht geeignet. Prickelnder Versicherungsschutz sieht anders aus. Neben den oben schon kritisierten Punkten gibt es desweiteren Regelungen in den Versicherungsbedingungen, die klar rechtswidrig sind. Aus diesem Grund hat der Bund der Versicherten e. V. den Versicherer abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert.

Welche Kriterien eine gute Hausratversicherung beinhalten sollte und was es bei einer guten Privathaftpflichtversicherung zu berücksichtigen gilt, erläutern wir in unseren Infoblättern „Hausratversicherung“ und Privathaftpflichtversicherung“.


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