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Versicherungen verstehen

Welche Möglichkeiten haben Verbraucher*innen, wenn sie von Versicherungsmakler*innen falsch beraten worden sind?

Welche Möglichkeiten haben Verbraucher*innen, wenn sie von Versicherungsmakler*innen falsch beraten worden sind?

 11.01.2024  Versicherungen verstehen  0 Kommentare  Jens Trittmacher

Unsere Mitglieder wenden sich auch an den Bund der Versicherten e. V. (BdV), wenn sie der Meinung sind, Versicherungsmakler hätten sie bei der Vermittlung eines Versicherungsvertrages falsch beraten und dadurch sei ihnen ein Schaden entstanden.

© Max Saeling / Unsplash

Dabei kann es sich beispielsweise um solche Fälle handeln:

  • Kündigung einer bestehende Kapitallebens- oder privaten Rentenversicherung (mit garantiertem Rechnungszins) und Abschluss einer neuen Fondspolice (ohne Garantien) [Umdeckungsfälle Lebensversicherung].
  • Neuabschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung zur privaten Altersvorsorge.
  • Kündigung einer langjährig bestehenden privaten Krankenvollversicherung (PKV) und Wechsel zu einem anderen PKV-Unternehmen [Umdeckungsfälle PKV].

Dieser Beitrag betrachtet nur die Fälle der Falschberatung durch Versicherungsmakler, nicht aber durch Versicherungsvertreter. Versicherungsmakler vermitteln Versicherungsverträge, ohne an Versicherer fest gebunden zu sein. Sie sollen wirtschaftlich auf der Seite der Verbraucher*innen stehen und sind verpflichtet, deren Interessen zu vertreten. Sie werden im Auftrag ihrer Kund*innen tätig. Jedoch erhalten Sie in der Regel Provision oder Courtage von den Versicherungsunternehmen. Versicherungsvertreter vermitteln ebenso Versicherungsverträge, sind jedoch an einen oder mehrere Versicherer gebunden. Sie können nur deren Verträge vermitteln. Wirtschaftlich stehen sie auf der Seite des Versicherers, vermitteln in dessen Auftrag und werden von ihm entlohnt.

I. Was können Verbraucher*innen im Allgemeinen verlangen?

Das Begehren der Verbraucher*innen kann verschiedene Zielrichtungen haben. Es kann darauf gerichtet sein, so gestellt zu werden, als hätte man die Versicherung gar nicht erst abgeschlossen (II. Rückabwicklung des Vertrages).

So liegt der Fall z. B. regelmäßig beim Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung als Altersvorsorge, aber auch oftmals bei einem nachteiligen Wechsel der Versicherung – wie dem Wechsel des PKV-Unternehmens oder des Lebensversicherers. Bei zweitem kann das Interesse hinzukommen, so gestellt zu werden, als wäre die bisherige Versicherung nicht aufgegeben worden.

Andererseits kann Verbraucher*innen auch daran gelegen sein, so gestellt zu werden, als wären sie durch die abgeschlossene Versicherung adäquat und wunschgemäß versichert gewesen (III. Quasideckung).

Ausgangspunkt ist grundsätzlich die Differenzhypothese. Das heißt: Die Vermögenslage infolge des haftungsauslösenden Ereignisses ist mit derjenigen ohne dieses Ereignis zu vergleichen. Dies bedeutet: Ein Schaden liegt immer dann für Verbraucher*innen vor, wenn das jetzige Vermögen insgesamt geringer ist, als ohne das Ereignis. Kein Schaden liegt dagegen vor, wenn dem Nachteil ein gleich hoher Zuwachs gegenübersteht [BGH, Urt. v. 11.05.2006 - III ZR 228/05].

Inhalt und Umfang des Schadenersatzanspruchs richten sich nach zivilrechtlichen Regeln (§§ 249 ff. BGB). Weil Versicherungsmakler nicht Versicherer sind, können sie die Versicherung als solche im Normalfall weder aufheben noch umgestalten. Jedoch haben Versicherungsmakler regelmäßig betroffenen Versicherungsnehmer*innen einen Ausgleich in Geld zu zahlen.

Aber nicht alle Positionen gehören zum ersatzfähigen Schaden, mithin solche, die Versicherungsnehmer*innen auch bei ordnungsgemäßer Beratung nicht erhalten hätten.

Beispiel: Kündigt ein Versicherungsnehmer etwa wegen der Pflichtverletzung einen bestehenden kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag, den er ansonsten behalten hätte, und bekommt infolge der Zillmerung nur einen sehr geringen Rückkaufswert, so hat er keinen Anspruch gegen den Versicherungsmakler auf die Zahlung der Differenz. Denn diese hätte ihm – auch bei einem ungekündigten Vertrag – so oder so nicht zugestanden [OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.09.2011 - 12 U 56/11].

II. Rückabwicklung des Vertrages möglich?

Ist es Ziel des Versicherungsnehmers, den infolge der Beratung abgeschlossenen Versicherungsvertrag insgesamt loszuwerden und vollständig rückabzuwickeln, kommt es regelmäßig nicht darauf an, ob sich der Beratungsfehler im wirtschaftlichen Ergebnis der Versicherung ausgewirkt hat. Denn ausgewirkt hat sich dieser bereits dadurch, dass die Versicherung überhaupt abgeschlossen worden ist, obwohl das bei ordnungsgemäßer Beratung nicht der Fall gewesen wäre [BeckOK VVG/Gansel/Huth, 19. Ed. 1.5.2023, VVG § 63 Rn. 93].

Der Schaden liegt dabei rechtlich schon im Erwerb der Versicherung [vgl. OLG Saarbrücken r+s 2018, 110 unter II 2 b 2 = OLG Saarbrücken, Urt. v. 26. 4. 2017 – 5 U 36/16]. Eine etwaige objektive Werthaltigkeit der Gegenleistung ändert daran nichts. Denn der Vermögensschaden liegt bereits darin, dass die Leistung nicht voll brauchbar ist und unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts aufgedrängt wurde [BGH, Beschl. v. 13.11.2012 - II ZR 23/12; NJW 2014, 383 Rn. 29 = BGH, Urteil vom 19.11.2013 – VI ZR 336/12].

Der Versicherungsnehmer kann die getätigten Einzahlungen in voller Höhe erstattet verlangen, unabhängig davon, welche weitere Entwicklung der Anlage zu erwarten ist [BGH NJW 2014, 2646 Rn. 34 = BGH, Urteil vom 7.5.2014 – IV ZR 76/11]. Die Ansprüche aus der Versicherung sind Zug um Zug vorteilsausgleichend abzutreten und etwa schon erhaltene Rückflüsse anzurechnen.

Entgangener Gewinn

Kann der Versicherungsnehmer einen entgangenen Gewinn nachweisen, kann er auch diesen ersetzt verlangen (§ 252 BGB). Dafür muss er jedoch vortragen, dass und wie er die Beträge konkret alternativ investiert hätte [vgl. BGH NJW 2012, 2266 Rn. 13 f. BGH, Urt. v. 24. 4. 2012 − XI ZR 360/11]. Hierüber ist dann vom Gericht Beweis zu erheben. Es gibt keine Vermutung dafür, dass sich ein Geldbetrag wenigstens in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4 % pro anno verzinst [BGH NJW 2012, 2266 Rn. 18].

Zu erstattende Prämienanteile

Denkbar ist auch, dass die Versicherung infolge eines Fehlers bei der Bedarfsermittlung lediglich zu teuer erworben wurde. Dann liegt der Schaden in den zu erstattenden Prämienanteilen [BeckOK VVG/Gansel/Huth, 19. Ed. 1.5.2023, VVG § 63 Rn. 96]. Der Anspruch auf zu erstattende Prämienanteile entsteht sofort mit Neuabschluss der Versicherung in voller Höhe. Er besteht zunächst als Freistellungsanspruch und wandelt sich mit fortlaufender Prämienzahlung in einen Erstattungsanspruch [OLG Saarbrücken r+s 2018, 110 unter II 2 b 2].

III. Quasideckung

Möchten Verbraucher*innen so gestellt zu werden, als hätten sie den gewünschten, adäquaten Versicherungsschutz erhalten („Quasideckung“), liegt der Schaden (noch) nicht im Erwerb des nicht passenden Vertrages. Der nicht auskömmliche Versicherungsschutz stellt zunächst lediglich eine Vermögensgefährdung dar, die erst bei Vorliegen eines – von der Versicherung infolge des Beratungsfehlers des Versicherungsmaklers nicht abgedeckten (Quasi-)Versicherungsfalles – in einen Schaden umschlägt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sich die Vermögenslage des Versicherungsnehmers in dieser Hinsicht objektiv nicht verschlechtert, sondern lediglich nicht wie gewünscht verbessert. Die gezahlten Prämien entsprechen dem tatsächlich erlangten (nicht auskömmlichen) Versicherungsschutz. Ein Schaden liegt hier erst im eingetretenen (Quasi-)Versicherungsfall [BeckOK VVG/Gansel/Huth, 19. Ed. 1.5.2023, VVG § 63 Rn. 98].

Der betroffene Versicherungsnehmer ist so zu stellen, als hätte er den erforderlichen Versicherungsschutz erhalten [„Quasideckung“, BGH NJW 2014, 2038 Rn. 29 = BGH, 26.03.2014 - IV ZR 422/12; vgl. auch BGH NJW-RR 1989, 410]. Versicherungsmakler haben also die Leistungen zu erbringen, die der Versicherer bei pflichtgemäßer Beratung hätte erbringen müssen. Dabei wird es sich regelmäßig um Geldleistungen handeln.

Das heißt zugleich, dass der Versicherungsnehmer für den Eintritt des Versicherungsfalles auf Basis der bei – angenommener pflichtgemäßer Beratung –  bestehenden Versicherung darlegungs- und beweisbelastet ist.

Infolge der Pflichtverletzung erzielte Vorteile, wie etwa durch den zu gering bemessenen Versicherungsschutz ersparte höhere Prämien, muss sich der Versicherungsnehmer anrechnen lassen [BGH NJW-RR 1989, 410]. Darlegungsbelastet für die Ersparnis ist zunächst der Schädiger [vgl. OLG Celle NJW-RR 2004, 604 unter II 2 e = OLG Celle, Urt. v. 20. 11. 2003 - 8 U 6/03], also der Versicherungsmakler.

IV. Verjährung

Der auf die Rückabwicklung eines Vertrages (II.) (bzw. die Erstattung einer Prämiendifferenz) gerichtete Anspruch verjährt nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln (§§ 195 ff. BGB) [BGH NJW 2012, 3647 Rn. 68 = BGH, 11.07.2012 - IV ZR 164/11]. Die Verjährung beginnt kenntnisabhängig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist; und mit Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners. Folge: Da der Schaden im Erwerb der Versicherung zu sehen ist, entsteht auch der Anspruch im Moment des unwiderruflichen und vollzogenen Erwerbs der Versicherung [vgl. BGH NJW 2012, 3647 Rn. 70].

Kenntnisunabhängig verjährt der Anspruch Tag genau zehn Jahre nach seiner Entstehung (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB) bzw. 30 Jahre nach dem schadensauslösenden Ereignis (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB). Dadurch, dass der Schaden schon im Erwerb der Versicherung liegt, wird praktisch regelmäßig nur die zehnjährige Frist relevant werden [BeckOK VVG/Gansel/Huth, 19. Ed. 1.5.2023, VVG § 63 Rn. 132].

Für den auf eine Quasideckung (III.) gerichteten Anspruch gilt grundsätzlich das Gleiche [es wird aber auch eine andere Auffassung vertreten: vgl. BeckOK VVG/Gansel/Huth, 19. Ed. 1.5.2023, VVG § 63 Rn. 133 i.V.m. 98].

V. Handlungsempfehlungen

Wenn Verbraucher*innen meinen, ihr Versicherungsmakler hätte sie falsch beraten, dann können sie so vorgehen:

Grundsätzlich

Im Rahmen eines Beratungs- und Vermittlungsgespräches über eine private Versicherung mit Versicherungsmakler sollten Verbraucher*innen darauf achten, dass immer ein Beratungsprotokoll erstellt und ihnen ausgehändigt wird. Hierauf haben sie einen gesetzlichen Anspruch. Dem Beratungsprotokoll sollte der wesentliche Inhalt des Gespräches entnehmbar sein. Es sollte vor allem daraus hervorgehen, welche Punkte ihnen als Verbraucher*innen besonders wichtig sind und der Vertrag erfüllen muss. Das Protokoll ist von Versicherungsmakler zu unterzeichnen. Im Zuge des Beratungsgespräches sollten sie auch den Vermögensschadenhaftpflichtversicherer der Versicherungsmakler erfragen und samt der Versicherungsscheinnummer notieren (lassen).

Bevor Verbraucher*innen einen Schaden bei Versicherungsmakler geltend machen, sollte sie Folgendes tun:

  • Sachverhalt (möglichst) vollständig ermitteln und in chronologischer Reihenfolge notieren: Was ist – wann passiert? Etwaige Dokumente, Urkunden etc. sammeln, die ihre Ansicht untermauern (ggf. auch Zeug*innen).
  • Was wollen sie geltend machen bzw. wie ist ihr Begehr: Rückabwicklung des Vertrages oder begehren sie eine Quasideckung – also einen Schadensersatz?

Weiteres Vorgehen

  • Für eine erste rechtliche Einschätzung und Handlungsvorschlägen können sich Mitglieder des BdV an unsere Mitgliederberatung wenden.
  • Besteht möglicherweise ein Anspruch gegenüber Versicherungsmakler, ist als zweiter Schritt eine anwaltliche Rechtsberatung zu empfehlen. Denn der „laienhafte“ Umgang mit Beratungsverschulden ist regelmäßig fehleranfällig.
  • Vor dem Einschalten von Rechtsanwält*innen, kann für Verbraucher*innen zwar eine kostenfreie Beschwerde in Textform beim Versicherungsombudsmann oder PKV-Ombudsmann als unabhängige außergerichtliche Streitschlichtungsstelle in Betracht kommen. Dafür ist allerdings zuvor eine Beschwerde in Textform beim Versicherungsmakler notwendig. In diesem Verfahren sind aber – zur Klärung des Sachverhalts – keine Beweiserhebungen bzw. Zeugenbefragungen möglich. Ein solches Anspruchsschreiben sollte das genaue Begehren der Verbraucher*innen enthalten und ihren Anspruch beziffern. Um von Anfang an Fehler zu vermeiden, bietet es sich an, sich gleich anwaltlicher Hilfe zu bedienen.
  • Der Anwalt oder die Anwältin sollte sich auf das Rechtsgebiet Versicherungsrecht spezialisiert haben und dies vorzugsweise auch durch einen entsprechenden Fachanwaltstitel nachweisen können. Über die amtlichen Verzeichnisse der Rechtsanwaltskammern finden Verbraucher*innen sämtliche Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in ihrer Region. Anwaltsportale – wie die Anwaltsauskunft des Deutschen Anwaltvereins: Anwaltssuche – ermöglichen eine verfeinerte Suche unter ihren jeweiligen Mitgliedern, auch bundesweit.

 


BdV hilft

Als Mitglied des BdV beraten wir Sie nicht nur zu Ihrem individuellen Versicherungsbedarf und Ihren bestehenden Verträgen, sondern auch bei Problemen im Schadenfall. Im Rahmen der Rechtsberatung helfen wir unseren Mitgliedern zudem bei Streitfällen mit Versicherungen und/oder Versicherungsvermittlern.

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