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BdV hilft!

Urlaubslektüre

Urlaubslektüre

 29.06.2020  BdV hilft!  0 Kommentare  Claudia Frenz

Hier sind sie wieder - die Buch-Empfehlungen der BdV-Blogger für den Sommerurlaub. Wer will schon in die Ferne reisen, wenn das gute Buch so nah liegt.

© Link Hoang / Unsplash

Ein klassisches Werk ist ein Buch, das die Menschen loben, aber nie lesen.

Ernest Hemingway

 

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Edda Castelló

 

Chicago, 1985. Das Virus wütet. Mittendrin Yale, ein junger Kunstexperte, der sich in einer festen und langjährigen Beziehung sicher wähnt. Um ihn herum seine Freunde, die zwischen der Angst vor einem Test, Entfremdung von spießigen Familien und tiefer Freundschaft zueinander ihren Alltag zu meistern versuchen. Viele von uns haben es vielleicht vergessen, waren noch zu jung oder fühlten sich nicht betroffen von jenem Virus, dem inzwischen Millionen von Toten auf der Welt zum Opfer gefallen sind. Bis heute gibt es keinen Impfstoff. Damals war man noch weit entfernt von einer effektiven Behandlung. Wie Yale und seine Freunde ihr Leben leben und zugleich ständig um es fürchten müssen, ist meisterhaft beschrieben und großartig übersetzt.
Paris, 2015. Fiona, die Schwester eines der frühen AIDS-Opfer sucht in Paris ihre Tochter. Sie trifft auf einige der alten Freunde, Überlebende. Zwischen den Verletzungen durch Trennung, Trauer und Verlust Mitte der 80er Jahre und dem Suchen im heutigen Paris spannt sich ein Bogen, der das problematische Verhältnis zu ihrer Tochter aufdeckt und letztlich auflöst. Trotz des schwierigen Themas ein Buch, das optimistisch stimmt und das nachhallt.

Rebecca Makkai – Die Optimisten; Eisele Verlag, Erscheinungsdatum 30.03.2020, 624 Seiten, ISBN-13: 978-3961610778, 24,00 Euro.

Ganz anders mein zweiter Buchtipp:
Achtsam morden - Karsten Dusse
Ein uneingeschränkter Lesespaß. Wie der erfolgreiche Strafrechtsanwalt nach einem von seiner Frau zur Rettung der Ehe erzwungenen Achtsamkeits-Coaching zum sympathischen Mörder mutiert, um seiner geliebten kleinen Tochter Emily das Wochenende nicht zu versauen, ist einfach nur saukomisch. Jeder Satz sitzt. Ich habe an einigen Stellen laut gelacht – das passiert mir inzwischen nur noch selten. Unbedingt lesen! Überaus vergnügliche Urlaubslektüre!

Karsten Dusse – Achtsam morden; Heyne Verlag, Erscheinungsdatum 10.06.2019, 416 Seiten, ISBN-13: 978-3453439689, 9,99 Euro.

 

 

 

 

 

 

 

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Bianca Boss 

Ich mag es blutrünstig – selbst im Urlaub

Dieses Buch habe ich von meinem Mann zum Geburtstag bekommen – insgesamt waren es drei. Er weiß, dass sich gerne lese. Und er weiß auch, was ich gerne lese. Blutrünstige, spannende Kriminalromane. Der Buchhändler, bei dem die drei „blutigen Bücher“ erworben wurden, erwähnt dann auch mit einem kurzen Seitenhieb: „Na, das ist aber ne blutige Angelegenheit hier ;-)“. Darauf mein Mann: „Die sind für meine Frau zum Geburtstag.“ Worauf der Buchhändler dann nur trocken meinte „Na ja, wenn sie dann zumindest noch nett ist.“ Den folgenden Kommentar wollte mir mein Mann dann nicht weiter verraten …
„Die Suche“ ist eines der typischen Bücher von Charlotte Link – spannend, abgründig, spannend. Hatte ich schon gesagt, oder?

Verschwundene Mädchen …

… eine Tote im Hochmoor und scheinbar keine einzige Spur zum Täter.
Die Leiche der vor einem Jahr verschwundenen14-jährigen Saskia Morris wird entdeckt. Kurz darauf wird ein weiteres Mädchen vermisst. Die Polizei ist alarmiert und fragt sich schnell: Handelt es sich in beiden Fällen um denselben Täter – den Hochmoor-Killer? Der Druck auf die Polizei ist hoch. Und dann fehlt plötzlich erneut von einem Mädchen jede Spur ...

Spannend bis zum Ende

Können Detective Chief Inspector Caleb Hale und Detective Sergeant Kate Linville von Scotland Yard den Fall lösen?

Ich verrate nichts – lesen Sie selber. Viel Spaß und einen wundervollen Urlaub!

Charlotte Link - Die Suche; Blanvalet Tascehnbcuh, Erscheinungsdatum: 19.8.2019, 656 Seiten, ISBN-10: 3734107423, Klappenbroschur, 12 Euro.

 

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Claudia Frenz

Wer wie ich auf dem Dorf aufgewachsen ist, wird den von Dörte Hansen leise und präzise geschilderten Wandel der Zeit vermutlich gut nachempfinden.
In meinem Dorf gab es damals vier (!) Kaufmannsläden, zwei Bäcker, zwei Tankstellen, zwei Schmieden und zwei Dorfkneipen. Und das Dorf war kleiner als es heute ist. Weiden, auf denen Kühe grasten, direkt im Dorf, Bürgersteige aus Sand statt öder grauer Pflastersteine. Wir Kinder waren gefühlt den ganzen Tag draußen, fuhren auf unseren Rädern durch die Gegend oder warteten, bis um 2 Uhr die Läden wieder geöffnet waren, damit wir uns ein Eis kaufen konnten. „Mittagsstunde“ hat Dörte Hansen denn auch sehr passend als Titel für ihren melancholischen, aber keineswegs traurigen Roman gewählt. Eine Mittagsstunde gibt es heute längst nicht mehr – wie so vieles andere auch. Das weiß auch Ingwer Feddersen, der im Dorf Brinkebüll aufgewachsen, zum Studieren dann aber nach Kiel gegangen und dortgeblieben ist, statt die Gastwirtschaft der Großeltern zu übernehmen. Nun kehrt er heim, um die Großeltern zu pflegen und auch irgendwie sich selbst.
Dörte Hansen erzählt gleichermaßen schnörkellos wie detailreich, nie belehrend, aber immer bereichernd von den großen und kleinen Dingen des Lebens. Wie ihr erstes Buch „Altes Land“ ist auch „Mittagsstunde“ ein Heimatroman im besten Sinne. Er klingt lange nach.
Bereits in den ersten Sätzen des Buches ist eigentlich schon alles gesagt: „Der erste Sommer ohne Störche war ein Zeichen, und als im Herbst die Stichlinge mit weißen Bäuchen in der Mergelkuhle trieben, war auch das ein Zeichen. ‚De Welt geiht ünner‘, sagte Marret Feddersen und sah die Zeichen überall.“

Dörte Hansen – Mittagsstunde; Penguin Verlag, Erscheinungsdatum: 15. Oktober 2018, 320 Seiten, ISBN-10: 3328600035, 9,90 Euro.

 

Eigentlich lese ich selten Biografien. Aber Michelle Obamas Autobiografie hat mich dann doch gepackt. Vielleicht, weil ihre Nachfolgerin so auffallend unsichtbar ist und deren Mann…naja.. Michelle und Barack Obama dagegen sind alles andere als das, sie sind empathisch, engagieren sich, mischen sich ein, zeigen Haltung und Menschlichkeit. Alles, was in diesen Zeiten gebraucht und mitunter vermisst wird. In ihrem Buch erzählt die ehemalige First Lady sehr offen und unprätentiös, selbstkritisch aber auch mitunter herrlich selbstironisch, wie sie zu der geworden ist, die sie heute ist. In einfachen Verhältnissen in Chicago aufgewachsen, sehr ehrgeizig und zielstrebig hat die spätere Anwältin sich schon früh für das eingesetzt, was ihr am Herzen liegt – Bildung für benachteiligte Kinder, die Förderung von Mädchen und Frauen, gesunde Ernährung und natürlich den Einsatz gegen Rassismus.
Neben sehr persönlichen Einblicken erfährt man auch viel über das amerikanische Bildungssystem, NGOs und oder wie Barack Obama die Graswurzelbewegung im Wahlkampf genutzt hat.

Man merkt als Leserin natürlich: Sie ist ein Profi. Aber ein sehr sympathischer.

Michelle Obama –  Becoming – Meine Geschichte; Goldmann Verlag, Erscheinungsdatum: 13. November 2018, 544 Seiten, ISBN-10: 3442314879, 26 Euro.

 

Der Urlaub fällt flach in diesem Jahr? Warum nicht mal zuhause die Blicke schweifen lassen. Da geht auch einiges ab. Zum Beispiel bei den Meisen. „Das verborgene Leben der Meisen“ gibt äußerst kurzweilige Einblicke in eine Vogelart, die wohl jeder kennt. Klein und niedlich greift allerdings wirklich zu kurz.
Der Autor und Redakteur der norwegischen Internetenzyklopädie „Das große norwegische Lexikon“ hatte einfach mal damit angefangen, die Meisen in seinem norwegischen Heimatdorf zu beobachten und sich ihnen dann zu widmen. Und dabei eine Vielzahl wissenswerter Fakten, wissenschaftlicher und evolutionsbiologischer Erkenntnisse zusammengetragen.
Meisen können ultraviolettes Licht wahrnehmen. Kohlmeisenweibchen bevorzugen Männchen mit möglichst breitem schwarzen Brustband. Meisen füttern ihre Jungen in den ersten Lebenstagen besonders gerne mit Spinnen, weil diese viel Taurin enthalten, die gut für die Entwicklung des Gehirns sind. Für den Knochenaufbau gibt’s Schneckenhäuser.
Bei Meisens gibt es Eifersuchtsdramen und Nachbarschaftsstreit ebenso wie Differenzen bei der Kindererziehung. Kennt man irgendwie.

Andreas Tjernshaugen - Das verborgene Leben der Meisen, Suhrkamp/Insel Verlag, Erscheinungstermin: 23. Oktober 2017, 234 Seiten, ISBN-10: 345817723X, 18,00 Euro.

 

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Sophie Gschlecht

Bücher, in denen ich auf eine kleine Reise geschickt werde, sind genau mein Geschmack und dieses Buch hat mich durch und durch abgeholt.

Geht man also mit diesem Buch auf Reisen, so landet man hoch oben in den Schweizer Bergen, in einem Grandhotel mit der angestellten Fanny, dem Hotelierssohn Ben und noch vielen anderen Angestellten, die alle Hände voll zu tun haben, den Gästen einen möglichst luxuriösen Aufenthalt zu ermöglich. Gerade ist es Dezember und der Silvesterball steht an, daher begrüßt das Hotel Wolkenschloss Gäste aus aller Welt. So auch eine russische Oligarchenfamilie, die angeblich im Besitz eines überaus wertvollen Diamanten sein soll. Und da wäre noch der reizbare Roman, wie Fanny ihn getauft hat, besser gesagt, handelt es sich um Roman Monfort, den cholerischen Besitzer des Hotels. Für ihn gibt es solche und solche Gäste - und für besondere Gäste wird natürlich alles möglich gemacht. Wobei wirklich sympathisch ist er mir bis heute nicht. Das Buch malt jedes Detail aus, ob es nun die Samtvorhänge sind oder die Landschaft, die man aus den Fenstern des Hotels Wolkenschloss sehen kann. Auf den ersten Blick scheint alles friedlich und idyllisch, doch ehe man sich versieht ist die Harmonie vorbei und man begibt sich mit Fanny auf ein gefährliches Abenteuer. Dabei kommen die Wendungen der Geschichte so unvorhergesehen, dass man glatt aus allen Wolken fällt.

Das Buch beschreibt nicht nur einen tollen Ort, an den man sich sofort wünscht zu sein, nein, es beschreibt viel mehr ein Gefühl, das man nicht so schnell wieder loswird – oder loswerden möchte. Die einzelnen Charaktere sind toll beschrieben, entweder man hat sie gern oder hasst sie. Auf jeden Fall fiebert man jede Sekunde mit.

Kerstin Gier - Das Wolkenschloss; Fischer Taschenbuch, Erscheinungsdatum: 25. März 2020, 464 Seiten,  ISBN-10: 3596701287, 12 Euro.

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Anja Hardekopf  

Ich mag im Urlaub leichte Kost – egal, ob es der Salat ist, den ich auf Reisen deutlich häufiger wähle als zu Hause oder meine Urlaubslektüre. Zu Hause darf es abends gern ein Psychothriller sein, aber im Urlaub auf der Liege muss es leicht und lustig sein.

Nach den Vorgängern von Tommy Jaud wie Vollidiot, Resturlaub und Hummeldumm hat mich dann auch dieses Taschenbuch im Laden angesprungen: Der Löwe büllt. Es erzählt von Nico Schnös, der neben der Angst um seinen Job und seine Gesundheit und der Eifersucht auf den neuen Kollegen seiner Frau mit der Gefühlswelt seiner verwitweten Mutter kämpft – und das alles während eines geschenkten Urlaubs auf den Kanaren.

Nico wurde nach diversen Entgleisungen von seinem Chef die Pistole auf die Brust gesetzt: entweder er entspannt sich zukünftig zusehends oder aber er reiht sich zwischen den bettelnden Männern vor seinem Stamm-Supermarkt ein. Kontrolliert wird er anhand seiner Pulsuhr, für die er widerspenstig seine Zugangsdaten rausrücken musste. Dass dies schwierig werden würde, wenn er mit Mutti im Urlaubsdomizil verweilt, das sie bisher nur mit dem verstorbenen Vater besucht hat, war abzusehen. Und das zumal er sich nebenbei noch Gedanken über den neuen Yoga-Lehrer in der physiotherapeutischen Praxis seiner Ehefrau machen muss. Wer soll denn da seinen Ruhepuls erreichen?

Herrlich wie Tommy Jaud uns wieder mitnimmt in ein Leben voller Chaos und lustiger Dialoge – genau das richtige Buch, um auf der Sonnenliege vor sich hin zu kichern…

Tommy Jaud – Der Löwe büllt; Verlag: Fischer Scherz, 2019, 312 Seiten, ISBN 978-3-651-02558-5, 16,99 Euro.

 

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Julia Böhne

 
Auf der Flucht

Der Autor des von mir ausgewählten Buchs wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Prag geboren und hat bei einem großen europäischen Versicherer gearbeitet. Wen nun die Sorge befällt, ich würde Franz Kafkas klaustrophobischen Roman „Der Prozess“ als Urlaubslektüre empfehlen wollen, der sei an dieser Stelle beruhigt. Denn Geburtsort sowie -jahrzehnt und die Tätigkeit für die Assicurazioni Generali sind auch schon die größten Gemeinsamkeiten, die Leo Perutz und Kafka haben. Er könne einem Fehltritt Franz Kafkas mit Agatha Christie entsprossen sein, schrieb der österreichische Schriftsteller und Journalist Friedrich Torberg über Perutz. Vor dem Fehltritt haben die beiden noch mit Dostojewski und Tucholsky ein paar Gläser Absinth getrunken – zumindest in meiner Vorstellung.

Wenngleich ich sehr gerne lese und eine Schwäche für Klassiker habe, war mir Perutz bis vor zwei Jahren kein Begriff. Nach der Lektüre seines Romans „Zwischen neun und neun“ war ich so begeistert, dass ich gleich noch vier weitere Werke aus seiner Feder verschlungen habe. „Zwischen neun und neun“ erzählt zwölf Stunden im Leben von Stanislaus Demba. Um seine ihm überdrüssige Geliebte durch eine gemeinsame Reise zurück zu gewinnen, will der mittellose Student Geld beschaffen. Da er hierfür unter anderem zu illegalen Mitteln greift, muss er auch noch vor der Polizei fliehen. Rastlos irrt Demba durch das Wien der k. u. k. Monarchie, das Perutz so lebendig beschreibt, dass man fast meint, die Gesichter, Gerüche und Geräusche selbst wahrzunehmen. Je länger man dem getriebenen und glücklosen Protagonisten folgt, desto alptraumhafter, aber auch grotesk-komischer wird dessen Suche. Immer wieder überrascht der Autor die Leser*innen und so endet auch Dembas Suche mit einem Paukenschlag.

Leo Perutz – Zwischen neun und neun; Verlag: dtv, 2004, 220 Seiten, ISBN 978-3-423-13229-9, 9,90 Euro.

 

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Ein klassisches Werk ist ein Buch, das die Menschen loben, aber nie lesen.

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